GPX-Datei für das eigene Navigationssystem zum Download: Äulischlucht
„Wild romantisch“ – Wenn ich solche Begrifflichkeiten lese, werde ich in der Regel skeptisch, aber auch neugierig. Ich habe ein höchst eigenes Verständnis von „wild“ und „romantisch“, somit sind meine Ansprüche auch sehr hoch, wenn ich die Absicht hege herauszufinden, ob ein so tituliertes Ziel auch wirklich „wild romantisch“ ist – und die Äulischlucht ist höchst wild romantisch! Nahe der Grenze zwischen den Kantonen Zürich und Sankt Gallen gelegen ist diese Schlucht ein echtes Kleinod, selbst jetzt im Winter ausgesprochen reizvoll (und ja, im Sommer sicherlich durch die schön geschwungenen Kiesbänke auch ein Bade-Ausflugsziel der besonderen Art und Klasse). Im Laufe vieler tausenden von Jahren hat sich hier das Flüsschen Thur durch das erdgeschichtlich betrachtet recht junge Nagelfluh-Gestein dieser Region gefressen und dabei ein Gebiet erschaffen, welches selbst in der an Landschaften so unendlich reichen Schweiz seinesgleichen sucht. Natürlich ist es mit diesem aussergewöhnlich schönen Flecken Natur allein nicht getan, wie es sich für eine „gute“ Schlucht gehört, rankt sich auch um die Äulischlucht eine recht düstere Sage (mit welcher man zur Not ohne zur Verfügung stehendes Internet und Smartphone-Spiel gelangweilte Kinder im Bedarfsfall bei Laune halten kann): Die Sage vom Äuli-Hund. Dieser Hund bewacht bis zum heutigen Tage in den engen Spalten der Schlucht, die zu dem Äuli-Wasserfall führen, einen Schatz (was sonst?), den ein Kaufmann aus dem nahe gelegenen Lichtenstein (dem Ort, nicht dem Staat, der wird anders geschrieben) durch fragwürdige Methoden angehäuft und in jener Schlucht versteckt hatte. Nachdem jener Kaufmann verstarb, war ihm der Weg in den Himmel verwehrt – begründet durch sein zumindest fragwürdiges Geschäftsgebaren, um an solch einen Reichtum zu gelangen (eine „Strafe“, deren Wiedereinführung ich hin und wieder durchaus befürworte…). Erst an dem Tag, an welchem ein tapferer Mensch so viel Mut aufbringt, an dem Äuli-Hund vorbei zu gelangen, den Schatz zu finden und an bedürftige Menschen zu verteilen, wird jener Kaufmann in das (christliche) Himmelreich gelangen. So düster jene Sage anmuten mag, so düster kann es sicherlich auch hier in der Äulischlucht hin und wieder sein.
In den wärmeren Jahreszeiten dürfte das Gebiet um die Äulischlucht dank der Bademöglichkeiten und Feuerstellen recht gut besucht sein, dieser Tage ist unter der Woche hier wenig bis nichts los, so wenig, dass man mit ein wenig Glück sogar Rotwild entdecken kann, wenn man einen der zahlreichen Wanderwege, die zur Schlucht hin oder an ihr vorbei führen, abläuft. Leider führt durch das Tal auch eine stark befahrene Strasse, sodass die Schlucht an sich nicht ganz so romantisch daher kommt, wie man das vielleicht gerne hätte, dafür garantiert jene Strasse eine gute Anbindung an den ÖV. Kleiner Hinweis: Wer hier zum Baden her kommen möchte, muss sich darauf einstellen, dass es nur sehr wenig Parkplätze gibt, es macht daher sicherlich mehr Sinn, mit dem ÖV anzureisen. Von Wil fährt ein Postbus bis Lichtensteig, Station „Steigrüti“, von da führt ein relativ kurzer Fussweg beragab in die Schlucht und zu den Kiesbänken und den Wanderwegen dieser Region. Von Zürich sollte man 1 1/2 bis 2 Stunden Anfahrtszeit einrechnen, je nachdem, von welcher Seite aus man die Schlucht ansteuert. In Lichtensteig selbst ist unter anderem die Firma „Kägi“ angesiedelt, ein namhafter Schokoladenfabrikant, der selbstredend auch dort einen Verkaufsladen betreibt. Lichtensteig und die umliegenden anderen Ortschaften weisen das für diese Region typische Erscheinungsbild auf, es lohnt sich daher, auch ein klein wenig jene zu erkunden.
Sollten Sie beabsichtigen, einen der Wanderwege abzulaufen, so achten Sie insbesondere jetzt im Winter auf gutes Schuhwerk, gegebenenfalls sind auch Schneeschuhe empfehlenswert. Die meisten Passagen bestehen aus Feldwegen, die über das Nagelfluh-Gestein führen, entsprechend „uneben“ ist der Untergrund. Hier und dort geht es auch recht zünftig bergauf und bergab, Schuhe mit gutem Halt sind fast schon unerlässlich. Von der Äulischlucht führen einige Wege bis nach Dietfurt und Wattwil, von wo aus man wieder mit dem ÖV nach Hause gelangen kann. Die Landschaft ist schön geschwungen, nicht zu bergig, viele schöne Ansichten bis hin zur Säntis- und Bodenseeregion warten hinter dieser oder jener Wegkrümmung. Das Gebiet rund um den Wasserfall an der Äulischlucht bedarf schon kleinerer Kletterfähigkeiten und ist jetzt, wo frisch gefallener Schnee über dem Herbstlaub diesen Jahres liegt, mit einer gewissen Vorsicht zu betreten, aber es lohnt sich, ein wenig zu „kraxeln“ und dem Wasserfall ein wenig näher zu kommen. Wenn Sie auf der Suche nach Ruhe in diesen hektisch-nervösen Zeiten sind, so ist die Äulischlucht und das Umland sicherlich ein sehr lohnendes Ausflugsziel!
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