Für mich persönlich ist der Susten einer der schönsten, wenn nicht gar der schönste Pass in der Schweiz – wenn man bereit ist, von ein paar „Eigenarten“ abzusehen. Von Zürich her kommend beginnt der Susten in Wassen, kurz hinter Gurtnellen und kurz vor dem Gotthard-Massiv. Auf einer Strecke von 45 Kilometern bei einer maximalen Steigung von 9 Prozent führt der Pass von Wassen im Kanton Uri auf 2224 Meter über normal Null bis nach Innertkirchen im Kanton Bern. Seinen Namen bekam dieser Pass von der Alp „Sust“, aller Wahrscheinlichkeit ein Lager- und Handelsplatz für Reisende auf der Handelsroute, die seit dem Mittelalter existiert, die Region dürfte aber bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt gewesen sein. Bis 1938 stellte die alte Sustenstrasse, die zu grossen Teilen noch vorhanden ist, die ursprüngliche Verbindung dar, mit Beendigung der Bauarbeiten 1945 erhielt dieser Pass den Verlauf, den man heutzutage antrifft. Wie so oft beruht der Ausbau der Passstrasse auf militärischen Erwägungen zu Zeiten des zweiten Weltkrieges, aber im Gegensatz zu zahlreichen anderen Pässen in der näheren Umgebung war der Susten nie von grosser Bedeutung, weder militärisch, noch wirtschaftlich, er wurde vorwiegend regional genutzt.
Der Pass hat vor allem einige wirklich spektakuläre Aussichten zu bieten! Es existieren zahlreiche Möglichkeiten, um das eigene Fahrzeug kurz abzustellen und entsprechende Fotos zu machen. Die Fahrbahn ist gut ausgebaut und die Kurven meistens sehr grosszügig gestaltet, dennoch möchte ich den Susten einem Fahranfänger nicht empfehlen, er ist meines Erachtens nach eher eine Sache für fortgeschrittene Fahrer. Zum einen gibt es auf der Strecke zahlreiche Tunnel von kurzer bis mittlerer Länge, in denen teilweise sehr enge Kurven liegen – gut gemeinter Rat: Auch wenn es noch so „cool“ aussehen mag, so ist das Tragen einer herkömmlichen Sonnenbrille diesbezüglich eher kontraproduktiv, tragen Sie besser einen Helm, bei welchem sich eine zusätzlich eingebaute Sonnenblende kurzfristig ein- oder ausklappen lässt. Die bereits erwähnten Tunnel haben noch eine andere, zuweilen unangenehme Eigenschaft: Hier und dort kann an ihren Ein- und Ausgängen eine grosse Menge an Schmelzwasser herab donnern, manchmal fährt man – je nach Jahreszeit – durch eine regelrechte Wasserwand, hinter der sich der weiter führende Strassenverlauf nur schwer erkennen lässt (von den nassen Klamotten mal ganz zu schweigen). Dieser Pass ist verführerisch! Sehr viele und vor allem lange Passagen lassen sich sehr zügig absolvieren und dann taucht da die eine oder andere Kurve auf, die so ihre Tücken hat. Es ist genau diesem Umstand geschuldet, dass dieser Pass bei sehr vielen Fahrern unterschiedlichster Motorrad-Marken sehr beliebt ist, zuweilen liefern sich hier sogar japanische Rennmaschinen mit Rennwagen vorzugsweise italienischer oder deutscher Herkunft regelrechte Rennen und Überholwettkämpfe. Insbesondere an Wochenenden geht es nicht nur am Susten, sondern auch auf allen anderen bekannten Pässen in dieser Gegend so zu! Wenn Sie also schon unbedingt an einem Wochenende hier hin möchten, dann machen Sie das so früh wie möglich, spätestens ab 9 Uhr ist diese Region Austragungsort für Motorrad-Rennen aller erdenklichen Arten und mit Teilnehmern aus sehr vielen verschiedenen Nationen, die mehr oder minder angepasstes Fahrkönnen mitbringen. Bedenken und beherzigen Sie das in Ihrem eigenen Interesse. Unter der Woche an Werktagen dürfte es hier sicherlich allemal ruhiger zugehen.
Insgesamt ist die Region um den Susten herum gut touristisch erschlossen und obendrauf auch noch sehr „Motorrad-freundlich“. Wenn Sie sich also gerne über Kubikzentimeter, nicht ganz legale Modifikationen am eigenen Motorrad, das neueste Modell der Marke XYZ oder aber die ach so einmaligen Erlebnisse auf den Strecken dieser Welt austauschen möchten, so finden Sie entlang der Strasse zahlreiche Möglichkeiten hierfür, als Geniesser des Motorradfahrens muss man solche Randerscheinungen einfach ignorieren, anders geht das nicht. Es gibt zahlreiche Unterkünfte, Restaurants und „Beizen“, ja sogar einige Campingplätze, von denen die meisten inzwischen wieder geöffnet sind. Rechnen Sie in diesem Zusammenhang auch mit einigen, vergleichsweise recht trägen Wohnmobilen aus diversen Nationen auf der Strecke, ganz zu schweigen von Wanderern und Vélo-Fahrern. Wenn Sie sich all das nicht antun, aber dennoch die wirklich wunderschöne Region erleben möchten, dann sollten Sie die Postbuslinie nutzen, die über den Susten führt. Da der Susten erfahrungsgemäss einer der letzten Pässe ist, die nach der Wintersperre wieder geöffnet werden, sollten Sie ein Auge auf jene Zeiten haben, von Juni bis Oktober dürfen Sie den Susten geniessen. Ein paar Video-Eindrücke von der Fahrt über den Susten am 21.6.2020 finden Sie auf YouTube.
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