Über Wochen hinweg plagte mich eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Handgelenk, also war es nix mit mal eben mit Renn-Eseli irgendwo hin brettern und die Natur geniessen. Heute aber ging es einfach nicht mehr, wir beide mussten raus (das ist nebenbei angemerkt einer der ganz grossen Vorteile in Zeiten wie diesen, wenn man a) Motorrad-Fahrer ist, b) Mutti Natur für einen selbst der beste Ruhepol ist und c) man ohnehin mit dem Grossteil der restlichen Menschheit nichts anfangen kann und will: In Zeiten wie diesen ist Motorrad-Fahren in Bezug auf das eigene Freiheitsgefühl nach Wochen des Lockdowns – und sei es nur gesundheitlich erzwungen – mit Abstand das Beste für meine Seele). Also schaute ich mir die Umgebungsbedingungen der namhaften Alpenpässe an, holte den frisch geputzten Renn-Esel aus der Garage und los ging es in Richtung Graubünden zum Flüela-Pass!
1867 erstellt bildet dieser Pass die kürzeste Strassenverbindung zwischen dem Rheintal und dem Unterengadin. Im zweiten Weltkrieg hatte dieser Pass vor allem grosse militärische Bedeutung, aber sonst gibt es aus geschichtlicher Sicht nicht viel mehr zu jenem Pass zu schreiben. Auf einer Strecke von 26 Kilometern verbindet er die beiden Ortschaften Davos im Landwassertal und Susch im Unterengadin (wobei für meine Begriffswelt Susch allemal sehenswerter ist, als Davos, aber das ist Geschmackssache). Die Strasse an sich ist gut ausgebaut und stellt abgesehen von ein paar allemal „machbaren“ Haarnadelkurven keine allzu grossen Anforderungen an das eigene Fahrvermögen. Bei Steigungen und Gefällen von bis zu 12 Prozent klettert man auf 2383 Metern über dem Meeresspiegel, viele leicht zu bewältigende, lang gezogene Passagen ermöglichen den Blick in die wunderschöne Umgebung, allerdings sollte man immer ein Auge auf die Strasse haben, auf der hier und da zuweilen doch gediegene Steine in der Grösse von „Kiesel“ bis „Felgenknacker“ liegen können. Es lohnt sich, bereits im Frühjahr hierher zu fahren, ich hatte das seltene Glück, zahlreiche Murmeltiere sehen und hören zu dürfen, reichlich abgemagert vom langen Winterschlaf, aber mitnichten inaktiv. Eines lief sogar gut zwanzig Meter neben meinem Eseli und mir her!
Grundsätzlich ist dieser Pass nicht wintersicher und wird daher auch aufgrund von Lawinengefahr in den Wintermonaten gesperrt, Dank des Einsatzes eines Vereins aber wird zumindest auf der Davoser Seite der Pass geräumt (und auch in dieser Zeit vom Automobil- und Motorrad-Hersteller BMW intensiv für Testfahrten genutzt, Eseli freute das gewaltig!). Sehr betrüblich aber war der Anblick der Ortschaften in diesem Gebiet, die nahe liegender Weise vom Skisport und dem Tourismus leben. Derzeit ist alles geschlossen, somit fällt auch jeder Imbiss in dieser Region zumindest in den kommenden Tagen flach, dafür aber hatte ich es auch mit weitaus weniger Touristen zu tun, als es sonst der Fall ist (aber auch das wird sich wohl bald ändern…). Wie ich über die schöne Passstrasse bretterte, machte ich mir so meine Gedanken, wie es den hier lebenden und vom Gastgewerbe abhängigen Menschen wohl zur Zeit gehen mag, in welchen ein winziger Virus alles auf den Kopf und in Frage stellt…
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