- Porto
- Grasse
- Neusiedler See
- Mallorca
- Usedom & Rügen
- Parsteiner See
- „Mein“ Katalonien
- Welscamp Riba-Roja
- Die Region
- Riba-roja d’Ebre
- Die Einsiedelei und Schützengräben von Berrús
- Flix
- Punta del Duc
- La Pobla de Massaluca
- Gandesa
- Poble Vell (Corbera d’Ebre)
- Serra de Pàndols
- Memorial de les Camposines
- Els Barrancs
- El Pinell de Brai
- Quatre Camins
- Castell de Miravet
- Der Kirchturm von Faió (Fayón)
- Neue Kategorie „Berlin“
- DDR Museum
- Berliner Salonwohnung
- Currywurst
- Pinguin Club – Ein Nachruf
- Ampelmannshop
- Grenzgebiet bei Büsingen
- Istanbul
- Bali
- Saint-Tropez
- Aix-en-Provence
- Strasbourg
- Gassin
- Hyères
- Grimaud Village & Port Grimaud
- Cavalaire-sur-Mer
- Fréjus
- Erste Auslandsreise 2020
- Ipf
Es ist nicht leicht für mich, über diesen Moloch von Stadt am Bosporus etwas zu schreiben. Seit ich vor mittlerweile fast dreissig Jahren zum ersten Male hier vergleichsweise kurz weilte, um von hier eine Rundreise durch die Türkei zu starten, hat sich bis zu meinem zweiten Besuch im Jahre 2015 viel verändert – leider nicht durchweg zum Guten. Inzwischen würde ich es mir gründlich überlegen, nochmals hierher zu kommen. Das liegt aber weder an der Stadt, dem Land oder den hier lebenden Menschen, sondern vielmehr an den politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Ich führe mir immer mal wieder Berichte und Nachrichten aus jenem Land zu Gemüte und so manches Mal mache ich mir Sorgen, wohin sich dieser Staat wohl weiter entwickeln wird. Diese Stadt ist ein Spiegel für die teilweise extremen Gegensätze politischer, gesellschaftlicher und letztlich auch religiöser Art, auf die man hier an der Grenze zwischen Europa und Asien treffen kann. Durch Istanbul zu streuen bedeutet nicht nur, auf Jahrtausende alte Kultur, Architektur, Religion und weltgeschichtliche Entwicklung zu treffen, sondern auch mit den starken Kontrasten konfrontiert zu werden, die sich aus der Nähe zum westlich geprägten Europa ergeben. Istanbul ist riesig und uralt, demzufolge gibt es hier ein nahezu unüberschaubares Angebot für alle Interessen. Gut gemeinter Rat: Ein gutes Schuhwerk kann in dieser Stadt nicht schaden! Das bezieht sich sowohl auf die Entfernungen und Steigungen, die man hier zuweilen zu bewältigen hat, als auch auf den Zustand der Gehwege – soweit denn vorhanden. Und noch etwas: Erdbeben sind hier fast schon „normal“. Zahlreiche Bauwerke in der Stadt sind Relikte der allgegenwärtigen Bauspekulation, aber mindestens genau so viele dürften Opfer vergangener Beben sein. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie aus Ihrem Hotelzimmer schauen und direkt gegenüber ein entsprechend „anheimelndes“ Haus oder was davon übrig geblieben ist, steht. Verfall ist hier allgegenwärtig. Apropos Hotel: Streichen Sie alles aus Ihrem Kopf, was „westlichen“ Standards zu entsprechen scheint und gewöhnen Sie sich daran, dass selbst in „besseren“ Unterkünften zuweilen Sanitärinstallationen ein Umdenken zwischen „links“ und „rechts“ abverlangen, Stromleitungen – diplomatisch ausgedrückt – anders „verlegt“ sein können, ein „TÜV Rheinland Prüfsiegel“ unter Umständen gefälscht ist und der Zimmer-Feuerlöscher aus einer fragwürdig anmutenden Kugel besteht, die man im Brandfall ins Feuer werfen soll. Bedienungsanleitungen zu was auch immer sind ebenso nicht gerade selten ein abenteuerlicher Ausflug in die Sprachenvielfalt dieser Welt…
In dieser Stadt wird man regelrecht mit Eindrücken bombardiert, hier eine ruhige Ecke zu finden, ist gar nicht so leicht, aber machbar. Es macht wenig Sinn, hier Empfehlungen auszusprechen, dazu ist das Angebot schlichtweg viel zu gross. Ganz grundsätzlich erschien mir die Region um die Hafenanlagen etwas weltoffener, westlicher und letztlich auch freundlicher, als so manch eine andere Ecke dieser Stadt, aber das ist mein rein subjektiver Eindruck. So oder so lege ich Ihnen nahe, den grossen Basar aufzusuchen, hier bekommt man den wohl umfänglichsten Eindruck davon, was diese Region der Welt, das Land selbst und letztlich Istanbul zu bieten hat. Bekommt man hier etwas nicht sofort, so bekommt man es kurze Zeit später, fragen Sie einfach nicht, wie das im Einzelfall möglich war. Sie sollten feilschen können! Zuweilen erschien es mir, dass das Feilschen weitaus wichtiger ist, als der eigentliche Verkauf, auch das gehört zur Kultur und Lebensweise (nicht nur) dieser Region der Welt! Wundern Sie sich auch nicht, wenn Sie gegebenenfalls in einen weiter weg gelegenen Lagerraum gebeten werden, um ein Objekt Ihrer Begierde zu erhalten, gewisse Produkte werden hier nicht offensichtlich angeboten und um das auch noch klar und deutlich formuliert zu haben: Die allerwenigsten „Markenprodukte“, die hier angeboten werden, sind auch „echt“, regionale Erzeugnisse aber meistens schon. Die Zoll-Behörden der meisten Länder wissen um diesen Umstand, auch das sei als Hinweis angemerkt. Wenn es um Einkaufs- oder kulinarische Konsumationsmöglichkeiten geht, so hat Istanbul von allem etwas zu bieten, aber auch hier möchte ich auf einen „Umstand“ hinweisen. Bereits damals, als ich vor bald dreissig Jahren hier weilte, war mir ein Kommentar eines Freundes meiner Familie in Erinnerung geblieben, der seinerseits dieses Land und diese Stadt bereits weitaus besser kannte (Zitat): „Die Türken sind sauber, aber nicht immer auch hygienisch.“. Seinerzeit bekam ich die Folgen jener Tatsache am eigenen Leib zu spüren, googeln Sie mal nach dem Begriff „Montezumas Rache“, dann wissen Sie, wovon ich spreche. Haben Sie das in Ihrem eigenen Interesse im Hinterkopf, insbesondere dann, wenn fliegende Händler Ihnen etwas zu trinken oder essen verkaufen wollen.
Bei meinem letzten Besuch bin ich auf einige sehr aufgeschlossene, aber auch einige recht „zugeknöpfte“ Menschen getroffen. Vor allem jüngere Generationen, die sich sichtlich eher westlich kleideten, begegneten mir freundlich, interessiert und offen, aber auch bei ihnen bemerkte ich eine gewisse Vorsicht, wenn es um bestimmte Themen ging. Generell aber durfte ich eine Gastfreundschaft geniessen, die ihres Gleichen sucht. Auch wenn ein sprachlicher Austausch zuweilen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse eine zielgerichtete Problemlösung erschwerte, so wurde nichts unversucht gelassen, überhaupt eine Lösung zu finden. Aber auch hier: Wundern Sie sich nicht, wenn ein Verkäufer (oder was auch immer), der zuvor ausser Türkisch kein einziges Wort einer anderen Sprache zu verstehen oder sprechen schien, unter Umständen kurz darauf vollkommen unvermittelt auf einmal fliessend Hochdeutsch mit leicht Rheinländischem Akzent sprechen kann. Auch das gehört bis zu einem gewissen Grad zu dieser Kultur und hat wenig bis nichts mit Hinterhältigkeit zu tun. „Respekt“ wird hier leicht anders definiert und interpretiert, als zum Beispiel in Deutschland oder in der Schweiz. Das äussert sich auch in Bezug auf die Toleranz gegenüber anderen Religionen. Inmitten der Stadt gibt es Synagogen und christliche Kirchen, hier wird nicht in der Art und Weise darüber gestritten, wie es zum Beispiel in der Schweiz durchaus vorkommen kann, inwieweit religiöse Symbole für eine Öffentlichkeit sichtbar an Sakralbauwerken vorhanden sein dürfen oder nicht, allerdings wird von Seiten der Minderheiten-Religionen Wert darauf gelegt, jene Symbole eher zurückhaltend und respektvoll anzuwenden. Gleiches gilt für ein offensichtliches Bekenntnis eines hier lebenden Menschen zu einer jeweiligen Religion. Ich habe den Davidsstern und das Kreuz hier gesehen, aber respektvoll diskret getragen. Wie das in der ländlichen Türkei aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis. Hier in Istanbul funktioniert das irgendwie, sicherlich anders, als in den meisten anderen Ländern Europas, aber es funktioniert. Noch. Ich konnte einige vergleichbare „gelungene Kompromisse“ in dieser Stadt entdecken, welche jene kulturellen und religiösen Unterschiede mehr oder minder erfolgreich zu überbrücken versuchten und ich hoffe sehr, dass diese Entwicklungen weiter voran schreiten. Istanbul ist unglaublich spannend und interessant, ich würde es sehr bedauern, wenn vor allem konservativ geprägte Strömungen jene leisen Versuche zunichte machen würden.
Ja, selbst nach jenen dreissig Jahren war Istanbul für mich immer noch eine Art „Kulturschock“, wenn auch nicht mehr derart intensiv und heftig, wie damals. So gut ich auch versuchte, alle meine Werte-Vorstellungen über den Haufen zu werfen, so wurde ich immer noch zum Teil sehr nachhaltig „überrascht“. Ich denke, dass auch diese Form der Überraschung ein typisches Merkmal dieser Stadt ist, Istanbul zu dem macht, was es ist. Aber was es letztlich ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich mag diese Stadt sehr und vielleicht besuche ich sie irgendwann noch einmal, aber meine Liste von anvisierten Reisezielen ist inzwischen sehr lang! Aber ist diese grosse Welt an sich schon unglaublich spannend und interessant, so ist Istanbul sicherlich eine kleine Ausgabe davon. Man sollte nicht übermässig empfindlich sein, wenn man Istanbul erkunden will. Dann offenbart sich der unglaublich grosse Reichtum dieser Stadt an der Grenze zwischen Orient und Okzident, der einem selbst derart viele Eindrücke und Erinnerungen schenken kann, dass diese viele Jahre in der eigenen Erinnerung überdauern können. Wie in meinem Falle nahezu dreissig davon.
This entry was posted in Türkei,Welt