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Einst brachten – wenn man alledem Glauben schenken mag – die heiligen drei Könige dem neu geborenen Kind mit Namen Jesus drei Dinge mit: Weihrauch, Gold und Myrrhe. Das war vor einigen tausend Jahren. Würde heute ein Kind von vergleichbarer Bedeutung im europäischen Raum geboren (zum Beispiel in einer Region mit Namen „Stadt Zürich“), so wären es wohl eher „duftintensive“ Raclettebrocken, Swarovski-Steine und im besten Falle „Murmeli-Salbe“ gewesen, was sie mitgebracht hätten. Auf ihrer langen Reise hätten sie Speisen aus aller Welt zu sich genommen (Z. Bsp. Gyros, Bami Goreng, Baumstrietzel und vergleichbar abendländisch-christliches…), sie wären auch nicht gewandert, sondern mit einem Nostalgie-Zug einer staatlichen Bahn angereist. So in etwa gestaltete sich mein erster Eindruck von dem, was ich seit sehr vielen Jahren wieder zum ersten Male jüngst gemacht hatte: Mich dem alljährlich wiederkehrenden Blödsinn rund um Weihnachten in Form eines Besuches von „Weihnachtsmärkten“ auf dem Stadtgebiet Zürichs direkt auszusetzen. Um es kurz zu machen: Nein, all das, was ich zu sehen bekam, hatte für mich wenn überhaupt nur höchst wenig mit Weihnachten (dem christlichen…) zu tun; das war das, was man zu jedem Grossanlass in Zürich zu sehen bekommt. Nur etwas „angepasster“ dekoriert. Und auch in Bezug auf den käuflich erhältlichen Alkohol angepasster versorgt. Bami oder Nasi Goreng sind nicht in Zürich erfunden worden; einem neuzeitlichen, eher christlich geprägten Jesus-Kind ausgerechnet eine Buddha-Bronzefigur zu schenken zu können, ist auch irgendwie „schräg“ und die Möglichkeit, dem Jesus-Kind einen warmen Kopf ermöglichen zu können, indem man (egal, ob heilig und König oder nicht) eine Strickmütze aus 1000 Prozent chinesischer Kunstfaser, gestaltet wie ein „Minion“ aus einer gewissen Disney-Produktionsserie, schenkt, wirkte auf mich wie die maximal denk- und machbare Form von „Abwendung“ von der ursprünglichen Bedeutung dieses Festes. Zürich erinnerte sich dieses Jahr gesondert der Reformation, aber von all dem religiösen, christlichem Potential war aber leider auf keinem der hier vorhandenen Weihnachtsmärkte etwas zu entdecken. Auf den „allseits bekannten“ Märkten geht es nicht einmal im Ansatz um Weihnachten in seiner ursprünglichen Bedeutung – aber das hatte ich auch nicht erwartet, alles gegenteilige hätte mich gewundert. Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass mich bei der in ganz Europa inzwischen wohl gängigen Verschandelung von Weihnachten als Fest an sich hier in Zürich noch das Tüpfelchen auf dem „i“ von dem ganzen, rein kommerziell geprägtem groben Unfug vor allem in Form des Ursymbols von Weihnachten schlechthin, dem Weihnachtsbaum im Hauptbahnhof, darauf aufmerksam machen würde, dass die Zeiten von Weihrauch, Gold und Myrrhe wohl schon seit sehr vielen Jahren vorbei sein würden. Als in meiner Familie Weihnachten gefeiert wurde, da legten meine Eltern die Geschenke unter den Baum und wir Kinder durften sie dort hervor nehmen und auspacken. Im Zürcher Hauptbahnhof stehen unter der grossen Tanne mehrere Ausstellungsstelen, gefüllt mit den „Kreationen“ von Swarovski – schön fein säuberlich abgetrennt vom Publikum, welches diese teuren Werke klauen könnte… Der Baum steht allein für sich, nicht bei den Menschen, denen Weihnachten noch etwas bedeutet – abseits von jedem Kauf- und Konsumrausch. Aber das wird sich wohl nicht mehr ändern, so ist das nun einmal inzwischen in zahlreichen Städten Europas, man erkauft sich ein weihnachtliches Gefühl. Schade, dass insbesondere im Gedenkjahr an die Reformation in der Schweiz niemand von der Stadtverwaltung Zürichs auf die Idee gekommen ist, wenigstens in diesem einen Jahr mal diesen Konsumrausch zu unterbinden und Weihnachten zu dem zu machen, was es selbst nach der Reformation sowohl für Katholiken, als auch Protestanten immer geblieben ist.
Immerhin profitiert Zürich von seiner schönen Altstadt. So manch eine Ecke und ein kleiner Laden erinnerten mich daran, wie sich hier und da in meiner Kindheit die Weihnacht einst gestaltete. Aber mir fehlten die typischen Weihnachtsdüfte! Die Tannen-Räucherwerke! Räuchermännchen! Die Pyramiden aus Seiffen im Erzgebirge! Vanille-Kekse, allesamt von Hand gebacken! Das Knistern von Geschenkpapier und den vorab Dampf-gebügelten Schleifen! Statt dessen im Abstand von lausigen zwei bis drei Metern eine Duftweltreise: Angefangen bei Käse aus der Schweiz über Räucherwerk aus Indien und Textilfarbstoffen aus Thailand, bis hin zu Metall-Lacken für Lampen aus dem arabischen Raum und all den Gewürzen Asiens! Dazwischen die oftmals tonnenschweren Parfums zahlreicher Zürcherinnen unterschiedlichen Alters, gründlichst durchmischt vom zwischenzeitlich intensiv wahrnehmbaren Glühweindunst. Daneben die angehenden Alpha-Tierchen aus dem Finanzsektor, deren herb-schwitziges Parfum (Stichwort „Oud“) noch stärker anstank, als das rezenteste, für sauer verdientes Geld erhältliche Billigst-Raclette (und ich versichere Ihnen: DAS kann wirklich stinken!). Nein, all das hatte für mich nichts mit Weihnachten zu tun. Aber das ist inzwischen das, was viele andere darunter verstehen. Ich kann damit leben, aber für meine Begriffswelt hätte insbesondere Zürich weitaus mehr daraus machen können. Vielleicht entdecke ich im Umland dieser Stadt eine andere Weihnachtswelt, die mich mehr wieder an das heran bringt, was ich als Kind damals erleben, riechen und fühlen durfte. So schön die Altstadt von Zürich hier und da in jenem ganz und gar nicht „2000-Watt-Gesellschaft-konformen“ Glanz erscheinen mag, so wenig haben die Weihnachtsmärkte hier noch etwas mit dem Fest an sich zu tun. Dennoch: Es war ein schöner Abend! Aber dafür muss man sich noch daran erinnern können, warum einst die drei Könige um die damals bekannte halbe Welt reisten. Das hatte etwas mit diesem ominösen Ding mit Namen „Liebe“ zu tun.
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