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Der Kirchturm von Faió (Fayón)

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Irgendwann im Herbst vergangenen Jahres fuhr ich mit meinem Motorrad auf den Grimselpass in der Schweiz und machte eine längere Pause an dem auf der Passhöhe gelegenen Totensee. Ich schaute eine ganze Weile auf jenen See und sah den Spiegelungen der aufgehenden Sonne im Wasser zu. Ich dachte nicht konkret über etwas nach, mir wanderten lediglich ein paar Worte und Satzfetzen zu unterschiedlichen, teilweise sehr persönlichen Dingen durch den Kopf. Und dann hatte ich auf einmal wieder das vor Augen, weswegen ich hauptsächlich 2019 erneut nach Katalonien gefahren bin: Den Kirchturm der versunkenen Kirche von Faió (katalanische Schreibweise, die spanische lautet Fayón). Dort oben am Grimselpass fasste ich den Entschluss, erneut nach Katalonien zu fahren und nochmals den Kirchturm anzusteuern. Kleine Anmerkung: Genau genommen steht dieser Turm nicht mehr in Katalonien, sondern in Aragonien, aber die „Grenze“ ist gerade einmal 50 Meter entfernt, abgesehen davon war Faió ein durch und durch katalanisches Dorf. 2011 erzählte uns ein Mitarbeiter des Welscamps von jenem Turm und machte uns darauf aufmerksam, dass man mit einem kleinen Boot auch dort hin fahren könnte, selbst wenn man kein Angler sei und obendrauf auch keinen Bootsführerschein hat. Ich speicherte mir diese Worte im Kopf. Wenig später fuhren wir mit unserem gemieteten Wohnmobil eine Strasse entlang, als mir jener Turm ins Blickfeld fiel. Von da an wusste ich, dass ich unbedingt mit jenem Boot dort hin fahren will und irgendwie regelrecht auch hin fahren musste, bereits von da an zog mich jener Turm geradezu magnetisch an. Gesagt, getan, wir mieteten das Boot und tuckerten zu jenem Turm. Bedauerlicher Weise war die Kamera, die ich seinerzeit besass, zwar gut, aber nicht gut genug, um den Turm so abzulichten, wie ich mir das vorstellte. Seit 2011 wusste ich, dass ich nochmal hierher kommen müsste, um ein meinen Vorstellungen entsprechendes Bild machen zu können, dieses grossformatig ausdrucken zu lassen und mir an eine ganz bestimmte Wand meiner Wohnung zu hängen, ich musste unbedingt den Turm so ablichten, wie ich mir das vorstellte, so nachhaltig war der Eindruck, den jener in mir hinterlassen hatte.

Ursprünglich lag Faió direkt am Ebro – und nicht im Ebro. Es war ein kleines, für diese Gegend sehr typisches Dorf, welches hauptsächlich von der Schifffahrt auf dem Fluss lebte. Bezeichnend war, dass die Häuser der Bewohner auf dem tiefsten Niveau des Geländes lagen, die Kirche (auch typisch) erhöht darüber. Aber dann gab es da noch den Sitz eines katalanischen Adligen und der lag noch über dem Niveau der Kirche. Die weltliche Macht lag offensichtlich in Faió über der kirchlichen! Jener Adlige musste ein begeisterter Astronom gewesen sein, einst befand sich dort auch eine kleine Sternwarte. Die Sterne wären ein sehr wesentlicher Grund, ein drittes Mal hierher zu fahren, ich habe in meinem ganzen Leben nur äusserst selten einen derart klaren Sternenhimmel gesehen, der fast bis zur Horizontkante reichte, einige Sterne spiegelten sich sogar im Wasser des Ebro! Von ihnen und dem Kirchturm ein Bild in der Nacht nach meinen Vorstellungen zu machen, ist dauerhaft in meinem Reiseplaner gespeichert. Viel war und ist über das alte Faió nicht in Erfahrung zu bringen gewesen,  aber ich denke, dass dieses Dorf wie so viele andere iberische oder römische Wurzeln gehabt haben dürfte und sich hier vor allem die Templer eine ganze Zeit lang verewigten. 1967 versank der bis dahin noch bewohnte Ort in den Fluten des grossen Stausees, das neue Faió wurde weiter oben als Ersatz gebaut, ein schmuckloses Örtchen, welches sich eine Zeit lang intensiv um Tourismus bemüht hat, aber kein nennenswertes Ziel dabei erreichte. Das neue Faió wirkt ähnlich verloren, wie das alte. Es gibt ein Jugendhotel, ein paar Air B’n’B Angebote, ungenutzte Sportanlagen, eine Touristeninformation, die seit Jahren nicht mehr besetzt ist, ein Museum zur Ebro-Schlacht (bedauerlicher Weise selbst dann geschlossen, auch wenn die Öffnungszeitentafel etwas anderes andeutet), den obligatorischen, aber vollkommen menschenleeren Hauptplatz, die neue Kirche und das war es dann auch schon. Das neue Faió ist nicht sehenswert.

Der Turm gehörte zur Kirche Sant Joan Evangelista. Es war mir nicht möglich zu ergründen, wann sie erbaut wurde, aber gemäss der Bilder aus vergangenen Zeiten, die man im Netz finden kann, würde ich sie in etwa um 1530 einordnen. 2011 war das Wasser noch so klar, dass man nicht nur das alte Kirchenschiff, sondern auch die wenigen Häuser drum herum im Wasser erkennen konnte, 2019 war der Stausee leider zu aufgewühlt, meine Unterwasser-fähige Kamera konnte einfach kein brauchbares Bild erstellen. Sonderlich vermögend kann das alte Faió nicht gewesen sein. Zwar weist der Kirchturm vier in alle Himmelsrichtungen weisende Schalllöcher auf, aber nur an einer Seite (Süden, wenn ich mich nicht irre) befindet sich ein Ziffernblatt einer Turmuhr, nicht an allen vier. 2011 waren noch beide Zeiger vorhanden. Sie zeigten den Zeitpunkt an, an welchem das Uhrwerk still gelegt und ausgebaut wurde, kurz, bevor die Kirche in den Fluten versank. Heute ist nur noch ein Zeiger vorhanden und der wurde verstellt. In diesem Turm hing eine einzige Glocke, welche in der neuen Kirche weiter oben wieder aufgehängt wurde. Im alten Turm ist noch der Jochbalken zu erkennen, an welcher diese vormals hing. Man kann ihn naheliegender Weise nur auf einem Weg erreichen, dem Wasserweg, per Boot oder auch schwimmend. Hat man sich vom neuen Faió hinab zu den Ufern des Stausees gekämpft (und das ist mitnichten eine banale Angelegenheit!), muss man nur ins Wasser steigen und wenige Meter schwimmen. Weitaus komfortabler sind Boote, die man sich in den zwei nahe gelegenen Angler-Camps mieten kann, seit 2011 ist auch eine Kanu-Schule dazu gekommen, wahlweise kann man also auch zu jenem Turm paddeln. Wer sich für diesen Weg interessiert, sollte im Hafen von La Pobla de Massaluca oder im Welscamp Riba-roja d’Ebre vorstellig werden, es lohnt sich! Mit diesen Fahrzeugen kann man vor allem auch zu den Überresten einer alten Eisenbahnbrücke gelangen, die aus einer nahezu senkrecht abfallenden Steinwand heraus bricht. Die Line führte einst zum Ebro hinab, wahrscheinlich auch nach Faió. Die Republikaner sprengten sie auf ihrem Rückzug im Bürgerkrieg, seither sticht jener nutzlos gewordene Bau aus der Felswand.

Ich tuckerte zu jenem Turm, drehte eine sehr langsame Runde um ihn herum und drückte pausenlos auf den Auslöser. Dann legte ich die Kamera weg und schaute den Turm eine ganze Zeit lang an. Die Wirkung, die ich 2011 verspürte, war 2019 immer noch da und sie war noch immer so stark, wie damals. Wenn auch leicht schief, so steht jener Turm dort unbeirrbar im Wasser, ruhig, aber beharrlich. Man hat ihn seiner Uhr und seines Glockenwerkes beraubt, aber er steht dennoch da! Ich kann das nicht in Worte fassen, was mich mit jenem Turm verbindet, aber dieser Turm in jener Landschaft bedeutet mir sehr, sehr viel. Ich bin kein im klassischen Sinne „gläubiger“ Mensch, ich gehöre keiner Religion an, aber das, was ich bei beiden Besuchen empfand, lässt sich wohl am besten mit der Begrifflichkeit „religiös“ beschreiben. In diesem Moment wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, nochmals hier her zu kommen. Ich hatte etwas Mühe, nach Bearbeitung der Fotos mich zu entscheiden, welche Version ich mir grossformatig ausdrucken lassen will und selbst aufhängen möchte, es dauerte für meine Verhältnisse ungewöhnlich lange. Aber ich habe die richtige Version gefunden und ich freue mich sehr darauf, dieses Bild bald länger immer dann betrachten zu können, wenn ich mit „meinem“ Turm ein leises Gespräch führen möchte. Mit dem Besuch dieses Turmes beendete ich meine zweite Katalonienreise, aber ich traf auch ein paar Entschlüsse dort. Einer dieser Entschlüsse war, in Zukunft mehr Reisen dieser Art vollkommen alleine zu unternehmen, immer wieder einmal an die eigenen Grenzen zu gehen und neu zu erlernen, was mir zuvor bekannt, nahe liegend und offensichtlich erschien, die Sinne offen für unentdecktes, unerwartetes und unbekanntes zu behalten und keine Zeit mehr an Menschen und Dinge zu verschwenden, die meinen Horizont nicht mehr erweitern. Mögen die Zeiten noch so stürmisch werden: Der Kirchturm von Faió ist für mich ein sehr starker Ruhepol und ich bin entsprechend sehr dankbar dafür, dass ich ihn inzwischen ein zweites Mal sehen durfte!

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