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Die wohl traurigste Hinterlassenschaft der heftigen Kämpfe um Gandesa ist Poble Vell („das alte Dorf“), das alte Corbera d’Ebre. Dieser Ort war von grosser strategischer Bedeutung für beide Seiten, da man von der Erhebung, auf der sich jener Ort befand, weit in das Umland sehen konnte. Das einzige Bauwerk, welches die heftigen Kämpfe halbwegs überstand, war die im späten 18. Jahrhundert erbaute Kirche Sant Pere, ansonsten ist dieser Ort vollkommen zerstört. Die Ruinen wurden zu einem Mahnmal umfunktioniert und werden von Vereinen und verschiedenen Organisationen vor dem Verfall weitestgehend bewahrt. 2011 konnte man das Gelände noch kostenlos begutachten, jetzt wird dafür ein Eintrittspreis von 3 Euro verlangt, die in den Erhalt mitfinanzieren sollen. Corbera entstand aus einer iberischen Siedlung oder aber nach der Erbauung eines römischen Kastells, welches erstmalig 1153 erwähnt wird, aber viel mehr ist nicht bekannt, zu viele Kriege in dieser Region zerstörten auch historische Aufzeichnungen aller Art. Die meisten Informationen, die man zu diesem Ort erhält, stammen aus mündlicher Überlieferung, sind also entsprechend ungenau und nicht bestätigt. Die Bewohner bauten nach Ende des Bürgerkrieges zu Fusse des Poble Vell das neue Corbera d’Ebre, ein recht schmuckloses Örtchen, welches sich an der Durchgangsstrasse entlang zieht. Das Poble Vell muss ein wunderschönes Örtchen gewesen sein, die wenigen Bilder aus der Zeit vor dem Krieg zeigen eine reizvolle, verwinkelte, für diese Region typische Kleinstadt und an einigen Ecken kann man heute noch gut erkennen, wieviel Mühe sich die einstigen Bewohner bei der Gestaltung der Häuser und Plätze gegeben hatten. In einigen Ruinen finden sich noch die sehr farbenfrohen Kacheln, an manch einem Türrahmen ist noch ganz schwach blaue Farbe zu erkennen (ein Gestaltungsmerkmal, was ursprünglich oft an Häusern dieser Region zu finden war und langsam an restaurierten oder neu erbauten Häusern wieder verwendet wird). Hier und da stehen fensterlose Fassaden, manchmal sogar noch mit dem typischen kleinen Balkon daran, oftmals sind die Dächer eingestürzt, manchmal aber sind noch nicht einmal mehr die Aussenmauern eines Gebäudes vorhanden und die alte Hauptstrasse verschwindet seit vielen Jahren unbenutzt am Horizont. Man kann sich es nur noch schwer vorstellen, dass Corbera einst ein belebtes Dorf war. Heute werden die Ruinen teilweise als Hintergrund für Kunstinstallationen benutzt (deren Erklärung leider nicht übersetzt wurden), die sich mit jenem Krieg befassen.
Einzig die alte Kirche ist in einem einigermassen guten Zustand, obwohl auch sie sichtbare Marken des Beschusses aufweist. Ihr Dach wurde durch eine durchsichtige Konstruktion ersetzt, was dieses Raum mit Licht durchflutet erscheinen lässt. Sie ist grösser, als die anderen Kirchen dieser Region, Corbera muss also eine Zeit lang eine relativ vermögende Ortschaft gewesen sein. Jetzt stehen nur noch ihre Wände, die Säulen und der Turm, auf den man auch hinauf steigen kann. Dort oben lässt sich verstehen, warum es insbesondere jener Turm war, um den sich die Parteien in jenem Krieg besonders bemühten: Man kann von hier oben in alle Richtungen schauen und jede noch so kleine Bewegung am Horizont jederzeit erkennen. Corbera war derart heftig umkämpft, dass sich noch heute in den umliegenden Feldern Hinterlassenschaften anfinden, ab und an auch noch Reste von menschlichen Gebeinen, vor allem aber Splitter und Munitionsreste, die im lokalen Zentrum für die Gedenkstätten um die Ebro-Schlacht hier gesammelt und archiviert werden. Die Kirche wird nur noch an bestimmten Tagen für Gedenkgottesdienste genutzt, ansonsten wird auch sie für den Krieg betreffende Kunstinstallationen verwendet, hier und dort findet sich auch Informationsmaterial über den Kampf um Corbera. Ich streunte recht lange zwischen den Ruinen und der Kirche herum, versuchte mir das Leben vorzustellen, wie es sich wohl einst abgespielt hat, die Stimmen der Menschen, die hier weg gingen, als der Kampf vorbei war. Ich versuchte mir vorzustellen, wie angreifende Soldaten ohne jeden Schutz querfeldein auf das höher gelegene Corbera zu stürmten, nur um reihenweise zusammen geschossen zu werden. Und ich versuchte, mir die heftigen und gnadenlosen Kämpfe in den Gassen Corberas vorzustellen. An manchen Fassaden kann man immer noch die Einschläge der Projektile erkennen. Mir fiel auf, dass ich hier nahezu keinen einzigen Vogel sah oder hörte, die ganze Szenerie wirkt fast schon entrückt, als wäre sie nicht mehr Teil dieser Welt und Realität. Die zahlreichen schönen Pflanzen an der alten Hauptstrasse verstärken noch jenen Eindruck zusätzlich. Ich setzte mich noch recht lange auf eine Steintreppe und liess jene zutiefst eigenartige Stimmung auf mich wirken. Ich kenne viele Gedenkstätten dieser und vergleichbarer Art, aber die vollständige Abwesenheit hörbaren Lebens wirkte besonders stark auf mich.
In dem neu erbauten Corbera an der Hauptstrasse befindet sich noch ein Informationszentrum, das Centre d’Interpretatcio 115 dies, welches sich ausschliesslich mit den 115 Tagen des Kampfes im Ebro-Bogen befasst und mir einige hoch interessante Informationen lieferte, die ich teilweise nicht vermutet hätte. So erfuhr ich hier zum ersten Male, das aus der Schweiz nicht nur Kämpfer, sondern auch Waffen und Munition an die Republikanische Armee geliefert wurden, teilweise über abenteuerliche Umwege, um das Exportverbot für solche Güter aus der Schweiz zu umgehen. Teilweise wurde das Material zunächst nach Mexiko geliefert und gelangte erst danach nach Katalonien! Hier bekommt man einen guten Eindruck davon, aus wievielen Teilen der Welt damals Hilfe zu den Republikanern gelangte. Bedauerlicher Weise ist die Begehung jenes Informationszentrums etwas kompliziert geraten. Die Texte an den Vitrinen und in den interaktiven Informationssystemen sind ausschliesslich in Katalanisch und Spanisch verfasst. Um diese übersetzt studieren zu können, muss man in einem am Eingang erhältlichen Informationsheft blättern – und das gibt es nicht in deutscher Sprache. Aber auch wenn man sich nicht der Übersetzungshefte bedient, so bekommt man hier – im Gegensatz zum Museum in Gandesa – einen nachhaltigen Eindruck davon, mit welcher Härte die Kämpfe hier ausgetragen wurden.
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