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Gandesa

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Gandesa war am 25. Juli 1938 das Hauptziel der letzten Republikanischen Offensive gegen die faschistischen Franquisten. Um zu verstehen, warum in diesem so schönen Teil Kataloniens derart heftige Kämpfe geführt wurden, dass bis zum heutigen Tage die Ebro-Schlacht als die verheerendste und auch brutalste aller Schlachten im Spanischen Bürgerkrieg bezeichnet wird, möchte ich – so kurz es geht – Ihnen erklären, was sich warum in jener Region, die ich im Frühjahr 2011 und Sommer 2019 besuchte, abgespielt hatte. Durch verschiedene Offensiven hatten die Franquisten den nordöstlichen Teil Kataloniens mit den Städten Tarragona, Lleida und Barcelona von dem Rest Kataloniens im Zentrum und Osten des Landes abgeschnitten. Es war offensichtlich, dass Franco entlang der Mittelmeerküste schnell auf Barcelona vorrücken wollte, um den Krieg zu beenden. An dem Tag, als die Ebro-Schlacht begann, hatte die Republikanische Armee bereits mit erheblichen Nachschubproblemen zu kämpfen, Waffen und Munition trafen nur noch über weite Umwege ein und nicht jede Einheit wurde aus rein ideologischen Erwägungen überhaupt noch unterstützt. Darüber hinaus waren die Einheiten der Republikanischen Armee, die aus anarchistischen, sozialistischen und kommunistischen Truppenteilen bestanden, untereinander zerstritten, jeder gab dem anderen die Schuld an bereits verlorenen Kämpfen, die „Moral der Truppe“, wie man das so „schön“ nennt, war schwer angeschlagen. Weiterhin mehrten sich auch international die Stimmen, die den Spanischen Bürgerkrieg bereits als verloren ansahen. Die Ebro-Schlacht sollte vorrangig die Truppen Francos zum Stillstand bringen, die Moral heben und vor allem der internationalen Völkergemeinschaft zeigen, dass die Spanische Republik die einzige Alternative zu Francos Faschismus sei. Aus diesem Grunde fuhr die Republikanische Armee ein letztes Mal eine grosse Streitmacht an den Ufern des Ebro auf und überquerte ihn mit dem Ziel, hauptsächlich den Ort Gandesa einzunehmen. Zur Erklärung: Zu jenem Zeitpunkt war dieser Teil Kataloniens, der im Halbkreis des Ebro liegt, den er an jener Stelle beschreibt, von Francos Truppen besetzt. Der Ebro bildete die letzte grosse natürliche Hürde, die vor allem Barcelona und Lleida schützte. In der Mitte der Grundlinie dieses Ebro-Halbkreises liegt Gandesa. Dieser Ort war zu jenem Zeitpunkt für Franco der wichtigste Verkehrs- und Kommunikationsknotenpunkt, entsprechend erhofften sich die Republikaner von der Einnahme Gandesas, dass Francos Truppen zumindest für eine gewisse Zeit zum Stillstand kommen würden. Anfänglich hatten die Republikaner viele Erfolge, praktisch alle direkt am Ebro gelegenen Ortschaften und Städte fielen ihnen am Anfang schnell in die Hände, da sich die Franquisten ohne grosse Gegenwehr zu leisten, zurück zogen. Der Schlachtplan sah vor, Gandesa in einer Zangenbewegung von zwei Seiten einzunehmen und gleichzeitig im Zentrum Druck auszuüben. Zeit gewinnen, damit mehr internationale Unterstützung gegen Francos Faschismus heran gebracht werden konnte – so in etwa gestaltete sich die Ausgangslage jener Schlacht. Entsprechend heftig wurde gekämpft, viele Schilderungen aus jenem Gebiet vergleichen die Ebro-Schlacht mit den menschenverachtenden Grabenkämpfen des Ersten Weltkrieges und tatsächlich ging man hier mit einer Brutalität aufeinander los, die bar jeder Beschreibung ist. Das lag vor allem an der Entscheidung Francos, entgegen dem Rat seiner Generäle die Republikaner hier direkt und frontal anzugreifen, anstatt ihnen über den Umweg mit der Stadt Lleida, die ebenfalls bereits umkämpft war, in den Rücken zu fallen.

Franco hatte es sich zum Ziel gesetzt, hier dem Feind entgegen zu treten und letztmalig das Ende der Spanischen Republik in einer „faschistisch-heroischen“ Verteidigungsschlacht zu besiegeln. Entsprechend gnadenlos gingen seine Truppen bei der Gegenwehr und letztlich Wiedereinnahme des Gebietes vor. Er war zahlenmässig überlegen und darüber hinaus konnten die Republikaner sich nicht gegen die Luftangriffe der Legion Condor zur Wehr setzen, welche den Nachschub über den Ebro zunehmend erschwerte und letztlich verunmöglichte. Die Verzweiflung und interne Zerstrittenheit auf der republikanischer Seite führte dazu, dass diese Schlacht noch weiter fort geführt wurde, obwohl klar war, dass sie bereits als „verloren“ angesehen werden musste. 30.000 Tote, 75.000 Verwundete und 15.000 Kriegsgefangene und eine nahezu vollkommen zerstörte Landschaft, praktisch keine einzige unbeschädigte Ortschaft – das war das Resultat jenes letzten Befreiungsschlages der Republikanischen Armee, die im Anschluss Franco nichts mehr entgegen zu setzen hatte, da sie praktisch alles militärisch notwendige Gerät in diesem Kampf verloren hatte. Knapp vier Monate später, nach 115 Tagen heftigster Kämpfe in dieser Region, war der Spanische Bürgerkrieg vorbei. Es fiel mir sehr schwer – und ich habe ein sehr gutes Vorstellungsvermögen! – all das zu erfassen, zu verstehen und begreifen, was sich hier, in einem Teil der Welt der mir sehr ans Herz gewachsen ist, abgespielt hatte, wirklich sehr, sehr schwer! Auch wenn es befremdlich auf Sie wirken könnte, so möchte ich auf ein „Detail“ in diesem Wahnsinn hinweisen, über welches ich mich in einem gewissen Sinne freute: Im Dezember 1937 wurde eine Kampfeinheit gebildet, die ausschliesslich aus Juden bestand, die zuvor in einer polnischen Brigade gekämpft hatten. Die Brigade „Nafttali Botwin“, benannt nach einem jüdisch-polnischen Arbeiterkämpfer, eroberte das nahe gelegene Corbera d’Ebre und war massgeblich an der Belagerung Gandesas beteiligt. Juden kämpften hier, weil sie erkannt hatten, dass der Faschismus nicht nur Spanien in den Abgrund reissen würde, sondern auch früher oder später sie selbst, das waren Juden, die sich nicht auf jene Schlachtbank führen lassen wollten, die das Dritte Reich letztlich Wahrheit werden liess. In nur neun Monaten verlor diese Brigade fünf Kommandanten – an Weitsicht und Mut fehlte es diesen Menschen wahrhaftig nicht! Es betrübte mich vor Ort fest stellen zu müssen, dass über diese Thematik nichts zu finden war, immerhin waren 30 Prozent der knapp 3000 aus Amerika stammenden Kämpfer Juden. Googeln Sie mal den Begriff „Rotbuch zu Spanien“! So gründlich, wie einst die katholische Kirche die Spuren der Muslime und Templer in dieser Gegend auslöschte, so sehr bekämpfte der Faschismus die Tatsache, dass hier Juden seinerzeit für Ideale ihr Leben gegeben haben, die für unsereins heutzutage selbstverständlich sind.

Gandesa wurde schwer beschädigt, sehr heftige Kämpfe spielten sich direkt vor den Toren dieser Ortschaft ab. Entsprechend ist auch hier nicht mehr viel vom alten Charme übrig geblieben, sonderlich „reizvoll“ ist Gandesa wahrhaftig nicht, aber es gibt noch ein paar Ecken, die andeuten, wie schön es hier mal gewesen sein muss. Ein Beispiel dafür sind die Celler Cooperatiu de Gandesa, die im Jahr 1919 erbauten Weinkellereien, ein wirklich sehenswerter Bau im Gestaltungsbild des Jugendstils. Wenn Sie sich aber für die jüngere Vergangenheit dieser Region und den spanischen Bürgerkrieg interessieren sollten, der letztlich der Beginn für all das war, was der Zweite Weltkrieg bis zum heutigen Tage nachwirkend ausgelöst hat, dann besuchen Sie bitte das Museu Memorial de la Batalla de Ebre! Anmerkung vorneweg: Auch hier muss man zumindest des Englischen mächtig sein, Deutsch steht nicht zur Verfügung. Aber hier bekommt man einen weitestgehend „neutralen“ Einblick in das, was der Spanische Bürgerkrieg war, wie er ausgelöst wurde, wie er sich entwickelte, warum ausgerechnet hier so heftig gefochten wurde. Hier habe ich so einige Erkenntnisse gewonnen, die mir so zuvor nicht bekannt waren. Ich wusste von der Legion Condor, ich wusste davon, wie die deutschen Fliegerbomben aussahen und funktionierten, ich wusste davon, dass das Dritte Reich hier nur die Effektivität der eigenen Waffentechnik erproben wollte und dieser Umstand Franco sehr entgegen kam, aber ich wusste nicht davon, dass auch die Sowjetunion (und nicht nur das Dritte Reich) hier neue Waffensysteme erprobte, ich wusste nicht davon, dass die Schweizer Firma mit Namen „Oerlikon-Bührle“ auf Umwegen über Mexiko Mörsergranaten und Flugabwehrgeschütze an die Republikaner lieferte – verdeckt und illegal, die Schweiz war per Gesetz neutral. Ich wusste nicht, dass man sich hier zuweilen mit Vorderladern aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert beschoss oder mit angefeilten Spaten die Schädel einschlug. Ich wusste nicht, dass sich nach dem Krieg die hier lebenden Menschen vor allem ein Zubrot darin verdienten, das auf dem Schlachtfeld vor Gandesa zurück gelassene Metall in Form von Splittern, Munitionsresten und Uniformteilen an die Gewinner zu verkaufen! Ich wusste nicht, dass es Handgranaten gab, die kleiner als eine herkömmliche AAA-Batterie sind! Ich wusste nicht, dass hier in jenen Tagen sich lediglich fortsetzte und „verfeinerte“, was in dieser Form zum ersten Male in den Grabenkämpfen des ersten Weltkrieges statt gefunden hatte: Hier wurde – teilweise wider jegliche Erkenntnis und Vernunft – auf eine Art gegeneinander gekämpft, welche einen Begriff kategorisch negiert: Menschlichkeit. Und ich wusste lange Zeit auch nichts davon, dass der Staat Schweiz diejenigen, die als Bürger der Schweiz da unten in Katalonien für ein Ziel, welches meinem Verständnis nach Grundlage des Schweizer Selbstverständnisses ist, gekämpft haben, zum Teil schwerstens bestraft hat. Das Thema „Spanischer Bürgerkrieg“ wird in dem Land, dessen Bürger ich mittlerweile geworden bin, sehr „stiefmütterlich“ behandelt. Bis zum heutigen Tage. Diese Erkenntnis kam mir nicht in Zürich, diese Erkenntnis kam mir hier in Gandesa, Katalonien, Spanien, mir, der Deutscher und Schweizer ist.

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