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Ich möchte Ihnen erklären, warum mir diese Reise so wichtig war und warum Katalonien (genauer: Ein ganz bestimmtes Gebiet von Katalonien) mir so viel bedeutet, dass ich es für notwendig erachtete, im Sommer 2019 ein zweites Mal dort hin zu fahren. Aber dazu muss ich ausholen, sehr weit… In meiner Schule und vielen anderen gab es so genannte „Pflichtlektüre“, Bücher, die im Rahmen eines Unterrichtsfaches von Generationen von Schülern gelesen werden mussten. In dem mir so lieben Fach „Englisch“ gehörte zu jener Pflichtlektüre das Buch mit Namen „1984“, eine zutiefst düstere Zukunftsvision, geschrieben von George Orwell (Eric Arthur Blair war sein richtiger Name). Dieses Buch und der Schreibstil faszinierten mich so sehr, dass ich kurz darauf alle weiteren verfügbaren Werke von Orwell in mir aufsaugte, darunter auch das Werk „Mein Katalonien“. In diesem Buch beschreibt Orwell seine Erlebnisse und Ansichten zum Spanischen Bürgerkrieg, in welchem er selbst auf Seiten der Republikaner Teil nahm – sehr wahrscheinlich auch in jenem Gebiet, welches ich in nachfolgenden Beiträgen zu diesem Teil Kataloniens näher beschreiben möchte.
Schnitt.
2011 fuhren meine mir damals noch angetraute Frau und ich in jenes Gebiet, im Norden von Mequinenza und im Süden von Amposta begrenzt. Das ursprüngliche Vorhaben bestand in der Ablichtung von Vögeln, seltenen Flugkünstlern, die man nicht überall zu sehen bekommt. Gewisse Gebiete Spaniens sind dafür bekannt, zu bestimmten Jahreszeiten zahlreiche zum Teil sehr selten sichtbare Vogelarten zu beherrbergen. Sehr viele fantastische Fotografien von Vögeln sind von Spaniern gemacht worden, die genau wussten, wo sich wann welche besonderen Piepmätze aufhalten würden – so unter anderem auch in jenem Gebiet mit Namen „Ebro-Bogen“. Es kam nicht dazu, als wir dort weilten, waren nur sehr wenige Vögel sichtbar, also blieb uns nichts anderes, als aus der Situation das Beste zu machen und die Gegend zu erkunden, wobei mir vor allem einige Gedenkstätten zum Spanischen Bürgerkrieg und die einzigartige Schönheit der Landschaft in Erinnerung blieben. Mit diesen Erkundungen wuchs mir ganz speziell dieses Gebiet besonders ans Herz. In gewissem Sinne habe ich dort mein Herz an eine Landschaft verloren, nie zuvor ist mir eine solche derart nachhaltig in Erinnerung geblieben, dass ich sie unbedingt noch einmal wieder besuchen wollte – insbesondere einen ganz bestimmten Ort!
Schnitt.
Wir waren damals mit einem angemieteten Wohnmobil unterwegs. Als wir jenes Gebiet erreichten, neigte sich der lange Tag der Anreise dem Ende zu und es galt, einen Stellplatz für dieses Fahrzeug zu finden. So landeten wir auf einem typisch „spanischen“ Campingplatz – vollkommen indiskutabel selbst für unsere nicht einmal ansatzweise hoch geschraubten Ansprüche. Da standen wir nun und überlegten, wie die Reise weiter gehen sollte. Wir schlenderten am Ufer des Ebro entlang, als wir auf einem weiteren Campingplatz landeten – und dieser entsprach unseren Vorstellungen, obwohl es kein Campingplatz im üblichen Sinne war und ist (dazu mehr an anderer Stelle). Von hier aus unternahmen wir unsere Wanderungen und Fahrten in das Umland und während ich das Wohnmobil über die hervorragend ausgebauten Strassen steuerte, reifte in mir der Gedanke, all das irgendwann einmal mit dem Motorrad abzufahren. Herrlich verschnörkelte Strassen, die durch durch die Täler des Ebro und die „Terra Alta“, die Hochebene dieses Gebietes, führen, umgeben von zahllosen Olivenbaum-Plantagen! Diesen Traum habe ich für mich Wahrheit werden lassen und ihn mit Nachforschungen zum Spanischen Bürgerkrieg, Naturbeobachtungen und Besuchen bestimmter Orte und Plätze, die mir vielversprechend erschienen, angereichert. Je nachdem, wie man es betrachtet, hat sich in dieser Region im Laufe der Jahre entweder erfreulicher, oder aber bedauerlicher Weise nur sehr wenig getan und weiter entwickelt, es ist nachwievor eine sehr „strukturschwache“ Gegend, die aber immer noch einen sehr grossen Reiz auf mich ausübt. Gegen Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts begann an der Mittelmeerküste dieser Region der grosse Touristenboom, von dem man heute immer noch viel zu spüren bekommt, wenn man sich denn dieser Art von Tourismus auch aussetzen will. Man versuchte auch im Hinterland, auf diesen Boom aufzuspringen und begann mit der touristischen Erschliessung auch dieser Region. Aber es blieb bei jenem Beginn, auf Touristen wie mich trifft man in dieser Region nur höchst selten und wenn doch, so meistens nur in den kleineren Ortschaften und nicht in der freien Natur. Hier kann man tagelang vollkommen mit sich allein sein und diese herrliche Landschaft in vollen Zügen geniessen, ein Teil von Katalonien erleben, der sich noch nicht vollständig verwandelt hat und sehr ursprünglich geblieben ist, viel über die Geschichte der Katalanen offenbart, wenn man etwas sucht und genau hin schaut. Aber man muss sich auch gewahr sein, dass „Tourismus“, so, wie man ihn für sich selbst auch definieren mag, hier allenfalls nur sehr spärlich vorhanden ist. Unterkünfte verschiedener Preisklassen und mit entsprechendem Angebot kann man an einer Hand abzählen, „Geheimtipps“ beispielsweise in Form von kleinen, aber sehr feinen Restaurants, existieren nur in grösseren Ortschaften, wie zum Beispiel der Stadt Lleida („Jeida“ ausgesprochen) oder Orten wie Miravet, welcher vor allem durch die Kirchengeschichte und den sagenumwobenen Templer-Orden Touristen anzieht.
Man muss sich auch gewahr sein, dass man sich in einer Region befindet, die sich ganz klar und unmissverständlich von der spanischen Zentralregierung abtrennen will. Die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen sind hier überdeutlich wahrnehmbar – und das hat sich im Laufe der Jahre massiv verändert. Waren im Jahre 2011 wenn überhaupt nur sehr versteckte Hinweise auf jene Bestrebungen auszumachen, so sind sie nunmehr de facto omnipräsent. Nicht nur optisch, sondern auch sprachlich! Versuche, mit Ortsansässigen auf Spanisch in Kontakt zu treten, enden meist ohne Erfolg oder zumindest mit verärgertem Gesichtsausdruck. Da hier aber nicht nur Katalanen, sondern auch Spanier und des Katalanischen nicht mächtige Ausländer leben, haben einige eine Merkwürdigkeit entwickelt, die ich so bisher nur aus der Schweiz kannte. Vor allem die älteren Generationen in der Schweiz schalten praktisch vollkommen automatisch auf Hochdeutsch um, wenn sie einem Menschen begegnen, der nicht die Schweizer Mundart ab Kindesbeinen angenommen hat. Denen fällt es sogar manchmal sehr schwer, wieder umzuschalten auch wenn man ihnen mitteilt, dass man sie verstehen würde! So ähnlich läuft das hier: Während die „strammen“ Katalanen sich beispielsweise ausnahmslos mit „Bon dia!“ (manchmal aber auch „Bom dia!“, scheint ein katalanischer Dialekt zu sein) begrüssen, so grüssen andere, die mehr mit Menschen anderer Länder zu tun haben, zuweilen doppelt: „Hola, bon dia!“. Spanisch und Katalanisch in einem Atemzug! Obwohl sich in dieser Gegend einige Deutsche herum treiben, begegnet man ihnen grundlegend freundlich, aber distanziert, was vor allem bei den alten Katalanen in der Tatsache begründet ist, dass das Hitler-Deutschland seinerzeit die Franquisten unterstützte, also im weitesten Sinne „Spanien“ und nicht ihr „Katalonien“ – und in Form der berüchtigten „Legion Condor“ auch Bomben auf einige der von mir besuchten Ortschaften warf. Ich selbst erfuhr das am eigenen Leibe, als man mich für einen Deutschen hielt: Man begegnete mir mit Abstand. Erst, als ich darauf hinwies (nur die halbe „Wahrheit“ anmerkend), dass ich Schweizer sei, änderte sich das schlagartig und in einem wüsten Kauderwelsch aus Englisch, Deutsch, Spanisch und Katalanisch zeigte sich die Freundlichkeit vor allem der jüngeren Generationen. Im Spanischen Bürgerkrieg haben einige Schweizer „Institutionen“ die republikanische Seite unterstützt, so zum Beispiel die Firma „Oerlikon“ (heute „Oerlikon Space“), die Waffen und Munition den mit den Franquisten verfeindeten Republikanern „zukommen liess“ (ich möchte bezweifeln, dass das Material offiziell geliefert wurde…). Sie können sich denken, wie solche Unterscheidungen auf mich wirkten, insbesondere, da Deutsche auf beiden Seiten dieses Krieges kämpften. Man ist sich hier der eigenen Geschichte sehr wohl bewusst, aber diese Geschichte wird je nach Betrachtungswinkel auch zuweilen verfälscht dargestellt oder wahrgenommen. Auch das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich mit den katalanischen Abspaltungsbestrebungen beschäftigen will. Apropos (vermeintlich) „deutsche Kultur“: Curry-Wurst- oder Döner-Buden sucht man hier (im Gegensatz zur touristisch geprägten Küstenregion oder Mallorca) vergebens. Generell sind solche Schnellimbiss-Gelegenheiten hier sehr selten und auch nur in grösseren Ortschaften anzutreffen. Sehr schön!
Es gibt ein Wort, was ich nicht sonderlich mag, das aber hervorragend beschreibt, wie diese Region auf mich wirkt: Sie „entschleunigt“. Ganz leise, aber unaufhaltsam passte ich mich hier jener Langsamkeit an, die man in vielen Dingen und Details entdecken und erleben kann. Hier kann man zur Ruhe kommen und ohne jeden Zeitdruck in eine Welt abtauchen, die man wahrscheinlich in ganz Katalonien finden kann, wenn man sich von den Touristen-Hochburgen fern hält und sich bewusst darauf einlässt, eigene Kultur und Anspruchsdenken hinter sich zu lassen. Hier kann man in gewissem Sinne noch „wild und frei“ leben. Die Deutschen, die mir begegneten und die teilweise seit mehreren Jahrzehnten hier leben, bestätigten mir diesen Eindruck von einer herrlichen, von jeglicher Zeit unabhängigen Friedlichkeit und Stille, eingebettet in eine wunderschöne Natur, die man so sicherlich nicht mehr überall in Katalonien antreffen kann.
Ich sehe die politischen Entwicklungen, die ich seit längerer Zeit verfolge, mit gemischten Gefühlen, nicht alle Ansätze erscheinen mir als gut. Aber ich mag die fast schon an Sturheit grenzende Beharrlichkeit der Katalanen, ihre Ziele zu verfolgen, die kenne ich von irgendwoher ganz gut. Als Sinnbild dieser Sturheit gilt der „Ruc Català“, der katalanische Grossesel, eine der ältesten Eselrassen der Welt. Ein Exemplar in Form eines Aufklebers prangt seit meiner ersten Reise an einem meiner Motorrad-Koffer. Seit der zweiten Reise habe ich an einem anderen Koffer das andere Symbol hinzugefügt: Die Rot-Gelb-gestreifte Flagge aller Katalanen. Interessanter Weise sieht man diese Symbole nicht an den Fahrzeugen der Einwohner dieser Region. Im Grenzgebiet zu Frankreich aber dann gleich nahezu überall. Viele Katalanen finden sich auch dort…